In vielen Unternehmen herrscht die Überzeugung: „Unsere IT ist stark – also sind wir bei der Informationssicherheit gut aufgestellt.“ Eine nachvollziehbare Annahme. Schließlich kümmert sich das IT-Team um Firewalls, Updates, Antivirenschutz und Netzwerküberwachung. Doch genau hier liegt ein weit verbreitetes Missverständnis: Informationssicherheit ist nicht dasselbe wie IT-Sicherheit.
Während die IT-Sicherheit technische Schutzmaßnahmen adressiert, geht Informationssicherheit weit darüber hinaus. Es handelt sich um ein strategisches und unternehmensweites Thema, das sämtliche Bereiche betrifft – von Prozessen und Zuständigkeiten bis hin zum Verhalten der Mitarbeitenden. Ein gutes IT-Team ist ein wichtiger Bestandteil, aber eben nur ein Teil eines größeren Ganzen.
Der Unterschied zwischen IT-Sicherheit und Informationssicherheit
IT-Sicherheit konzentriert sich auf den Schutz technischer Systeme: Server, Netzwerke, Endgeräte, Software. Ziel ist es, unerlaubte Zugriffe zu verhindern, Systeme stabil zu halten und Datenverluste zu vermeiden. Informationssicherheit hingegen fragt: Welche Informationen gibt es im Unternehmen? Wer nutzt sie, wie werden sie verarbeitet, gespeichert, weitergegeben – und wo bestehen Risiken?
Die Norm ISO/IEC 27001 liefert einen strukturierten Rahmen für Informationssicherheit. Sie definiert Anforderungen an ein sogenanntes Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS). Dieses umfasst nicht nur Technik, sondern auch Organisation, Prozesse, Personal und externe Partner. Es geht darum, Informationswerte ganzheitlich zu schützen – unabhängig davon, wo und wie sie vorliegen.
Informationssicherheit in der Praxis
Ein Beispiel: In einem Unternehmen ist der Serverraum bestens gesichert – mit Zugriffskontrollen, Brandschutz und Monitoring. Gleichzeitig werden sensible Kundeninformationen auf Papier ausgedruckt, liegen offen auf dem Schreibtisch und werden ohne klare Richtlinien entsorgt. Oder: Ein externer Dienstleister erhält Zugriff auf interne Systeme, ohne dass ein Prüfprozess oder eine vertragliche Regelung zur Datensicherheit besteht.
In beiden Fällen liegt kein technischer Fehler vor – sondern ein organisatorisches Risiko. Genau hier setzt Informationssicherheit an: Sie schafft Rahmenbedingungen, sorgt für Klarheit und hilft, Sicherheitslücken im Alltag zu erkennen und zu schließen.
Ein funktionierendes ISMS berücksichtigt daher unter anderem:
- Zuständigkeiten und Rollenverteilung: Wer ist verantwortlich für bestimmte Schutzmaßnahmen?
- Schulungen und Sensibilisierung: Wissen Mitarbeitende, wie mit vertraulichen Informationen umzugehen ist?
- Physische Sicherheitsmaßnahmen: Wie wird der Zugang zu Büro- oder Serverräumen geregelt?
- Dokumentierte Prozesse: Gibt es klare Abläufe bei Sicherheitsvorfällen oder dem Onboarding neuer Mitarbeiter?
- Regelmäßige Risikoanalysen: Welche Bedrohungen bestehen für die Informationswerte im Unternehmen?
- Vertragliche Absicherung bei Dienstleistern: Sind Anforderungen zur Informationssicherheit eindeutig geregelt?
Warum das Thema häufig unterschätzt wird
Technische Lösungen lassen sich kaufen und implementieren. Sie erzeugen das Gefühl, „etwas getan“ zu haben. Prozesse, Verantwortlichkeiten oder das Verhalten von Menschen sind hingegen schwerer zu greifen – und brauchen Zeit. Informationssicherheit wirkt auf viele wie ein abstraktes, eher bürokratisches Thema. Oft fehlt auch das Bewusstsein, dass Sicherheitslücken nicht nur durch Hackerangriffe entstehen, sondern auch durch interne Versäumnisse, Missverständnisse oder Unklarheiten im Tagesgeschäft.
Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen fehlt es nicht selten an Ressourcen, um ein umfassendes Sicherheitskonzept aufzubauen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: Gesetzliche Vorgaben, Kundenanforderungen und Cyberbedrohungen machen das Thema Informationssicherheit zunehmend relevant – unabhängig von der Unternehmensgröße oder Branche.
Informationssicherheit als Führungsaufgabe
Informationssicherheit kann nicht allein bei der IT-Abteilung verankert werden. Es braucht die Unterstützung der Geschäftsleitung, ein Verständnis für Risiken im Unternehmen und einen klaren Fahrplan. Wer Informationssicherheit strategisch angeht, schafft nicht nur mehr Schutz, sondern auch Vertrauen – intern wie extern.
Ein solides ISMS ist kein starres Regelwerk, sondern ein lebendes System. Es entwickelt sich mit dem Unternehmen weiter, passt sich an neue Gegebenheiten an und hilft dabei, sich gezielt auf mögliche Risiken vorzubereiten – statt erst zu reagieren, wenn der Schaden bereits entstanden ist.
Fazit
Ein starkes IT-Team ist ein wichtiger Bestandteil jeder Sicherheitsstrategie – aber kein Ersatz für gelebte Informationssicherheit. Unternehmen, die sich umfassend schützen wollen, brauchen klare Strukturen, geschulte Mitarbeitende und einen ganzheitlichen Blick auf ihre Informationswerte. Der erste Schritt ist, das Thema nicht allein der Technik zu überlassen, sondern es als gemeinsame Aufgabe zu verstehen – quer durch alle Abteilungen und Hierarchien.
